Ablauf eines Diversionsverfahrens

Diversion wird verstanden als Verfahrenseinstellung, die – bei hinreichendem Tatverdacht und Vorliegen der Voraussetzung – an die Stelle einer Anklage oder einer Verurteilung tritt.“

Wenn Jugendliche/Heranwachsende straffällig werden, ist dies oft in entwicklungsbedingten Problemen begründet. Junge Menschen, die auf der Suche nach einer eigenen Identität sind, erfahren häufig Schwierigkeiten auf dem Weg ins Erwachsenwerden, wie z.B. Arbeitslosigkeit, Probleme innerhalb der Familie, in der Schule und im Freundeskreis. Für einen Zusammenhang zwischen den genannten Konfliktsituationen und der Jugendstraffälligkeit spricht die Erfahrung, dass die meisten jugendlichen Straftäter als Erwachsene nicht mehr strafrechtlich auffällig werden.
Diesem Phänomen trägt auch die Gesetzgebung Rechnung, indem sie die Möglichkeiten der Diversion geschaffen hat.

Diversion soll:

  • eine zeitnahe Reaktion möglich machen, damit für Jugendliche noch ein Bezug zur Tat herzustellen ist
  • helfen, die Stigmatisierung von jungen Menschen zu vermeiden
  • Hilfen zur Problemlösung außerhalb strafrechtlicher Sanktionen finden
  • unnötige Belastung des Beschuldigten vermeiden
  • Wege und Möglichkeiten ausbauen, damit für Jugendliche altersgemäße und dem Tatgeschehen angemessene Reaktionen ohne formelle, justizielle Verfahren erfolgen können
  • die Justiz entlasten.

Straftat

Das Alter zur Tatzeit der Jugendlichen/Heranwachsenden spielt eine entscheidende Rolle, denn:

  • Kinder (bis Vollendung des 14. Lebensjahres) sind nicht strafmündig
  • gegen Jugendliche (ab 14 Jahre) kann ein Strafverfahren eingeleitet werden
  • der Richter entscheidet, ob Heranwachsende (vom 18 bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres) nach dem Jugendstrafrecht oder nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden.

Polizei / AG JU

Die Polizei hat als erste Instanz eine wesentliche Funktion. Nach Eingang der Strafanzeige werden die Täterinnen und deren Erziehungsberechtigte eingeladen. Anschließend wird von der AGJu an die Staatsanwaltschaft eine Empfehlung für das Diversionsverfahren ausgesprochen.

Zu diesen diversionsgeeigneten Delikten gehören:

  • Missbrauch von Notrufen
  • Erschleichung von Leistungen („Schwarzfahren“)
  • Verstöße gegen das Verkehrsstrafrecht (z.B. Fahren ohne Führerschein oder unerlaubtes Entfernen vom Unfallort)
  • leichte Fälle der Nötigung und Bedrohung, Beleidigung
  • Sachbeschädigung
  • Eigentums- und Vermögensdelikte (z.B. Diebstahl oder Betrug)
  • Körperverletzung bei geringer Schuld und leichten Folgen
  • leichte Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz
  • geringfügige Vergehen gegen das Waffengesetz / Urheberrechtsgesetz
  • Hausfriedensbruch.
  • Urkundenfälschung

Die AG JU ist eine Arbeitsgemeinschaft für Jugendkriminalität, die am 01.07.1998 bei der Polizeiinspektion Solingen eingerichtet wurde.

Das Ziel der AG JU besteht darin, einen Überblick über die Straftaten, die von Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 8 und 18 (21) Jahren begangen werden, zu erhalten. Es soll ein intensiver persönlicher Kontakt zu der Zielgruppe aufgebaut und auf sie Einfluss genommen werden. In Zusammenarbeit mit anderen Institutionen (z.B. Jugendhilfe, Bewährungshilfe, Staatsanwaltschaft, …) sollen die Kinder und Jugendliche aus einer beginnenden kriminellen Entwicklung herausgelöst werden. Im Zuge der Arbeit der AG JU soll eine Trendwende erreicht werden, um so dem Anstieg der Jugend- und Gewaltkriminalität entgegenzuwirken.


Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft ist eine staatliche Untersuchungs- und Anklagebehörde.

Nach genauen Ermittlungen entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob

  • das Verfahren eingestellt wird
  • eine Diversion durchgeführt wird
  • ein Antrag auf Haftbefehl erlassen wird
  • Anklage erhoben wird.

Die Staatsanwaltschaft kann also ohne Zustimmung des Jugendrichters nach § 45,1 JGG ein Ermittlungsverfahren einstellen und von der Verfolgung der Tat absehen.

Nach § 45,2 JGG hat die Staatsanwaltschaft ebenso die Möglichkeit, nach Einleitung oder Durchführung einer erzieherischen Maßnahme / Auflage von der weiteren Verfolgung abzusehen. In diesem Fall bittet die Staatsanwaltschaft die JGH, ein Beratungsgespräch mit dem Jugendlichen/Heranwachsenden zu führen und die erzieherische(n) Maßnahme(n) umzusetzen.


Jugendgerichtshilfe (JGH)

Bei einem Diversionsverfahren richtet die Jugendgerichtshilfe ihre Arbeit nach dem § 45,1 JGG und § 45,2 JGG aus.

§ 45 JGG

„(1) Der Staatsanwalt kann ohne Zustimmung des Richters von der Verfolgung absehen, wenn die Voraussetzungen des § 153 der Strafprozessordnung vorliegen.

(2) Der Staatsanwalt sieht von der Verfolgung ab, wenn eine erzieherische Maßnahme bereits durchgeführt oder eingeleitet ist und er weder eine Beteiligung des Richters nach Absatz 3 noch die Erhebung der Anklage für erforderlich hält. Einer erzieherischen Maßnahme steht das Bemühen des Jugendlichen gleich, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.“


Beratungs- und Betreuungsgespräch

Wenn die Jugendgerichtshilfe den Vorgang eines Diversionsverfahren seitens der Staatsanwaltschaft erhalten hat, nimmt sie Kontakt zu den Beschuldigten und deren Erziehungsberechtigten auf. Sowohl der Beschuldigte als auch die Erziehungsberechtigten werden über die rechtliche Situation aufgeklärt. Nach diesem Gespräch wird die vorgeschlagene Maßnahme / Auflage der Staatsanwaltschaft den Jugendlichen/Heranwachsenden mitgeteilt und anschließend eingeleitet. Unter Umständen kann die Maßnahme erweitert werden.


Erzieherische Maßnahmen

Zu den erzieherische Maßnahmen gehören:

  • Drogenberatung / Jugendberatung
  • Teilnahme an einem Verkehrs-, Beförderungserschleichungs- oder Ladendiebstahlkurs
  • Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) und Schadenswiedergutmachung
  • Ableistung gemeinnütziger Arbeitsstunden
  • Teilnahme an Gruppenangeboten
  • Entschuldigung bei den Geschädigten
  • Geldbuße
  • 1. Hilfe Kurs
  • Konflikttraining

Einstellung

Nach Erfüllung der erzieherischen Hilfe(n) bzw. erzieherischen Maßnahme(n) wird das Verfahren endgültig eingestellt und von einer weiteren Strafverfolgung wird abgesehen.